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Biodiversitätsexploratorien
Waldforschung im Hainich

von Dominik Hessenmöller & Ernst-Detlef Schulze

 
 

 
 




 
 




 
 

I. Einleitung

Biodiversitätsexploratorien

Im Rahmen eines Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zur Förderung der Biodiversitätsforschung in Deutschland wurden im Jahr 2006 drei beispielhafte, großskalige Langzeitunter- suchungsgebiete etabliert. Es handelt sich hierbei um die Biosphärenreservate Schorfheide-Chorin in Brandenburg und Schwäbische Alb in Baden-Württemberg, sowie um die Hainich-Dün-Region in Thüringen.

Der offizielle Titel dieser Versuchsgebiete lautet "Exploratorien zur funktionellen Biodiversitätsforschung", wobei Exploratorium ein Kunstwort ist, welches aus den Begriffen Experiment und Observatorium hergeleitet wurde. Das Hauptanliegen der Exploratorien ist es, die Interaktionen zwischen Biodiversität, Landnutzung und Ökosystem- funktionen zu verstehen, zu quantifizieren und vorherzusagen.

Die Exploratorien kennzeichnen sich durch eine Reihe neuer wissenschaftlicher Ansätze aus. Die verschiedenen Forschungsgruppen arbeiten auf den gleichen Flächen, um gezielt die Interaktionen verschiedener Organismen- gruppen untersuchen zu können. Neu ist vor allem, dass der Forschungsschwerpunkt die typische Landnutzung einbezieht. So stellt sich beispielsweise im Hainich die Frage, ob die hohen Artenzahlen des Nationalparks auch in den bewirtschafteten Altersklassen- und Plenterwäldern zu finden sind, und welche ökosystemaren Abläufe (Wasser-, Stickstoff-, Kohlenstoffumsätze) an die Diversität gekoppelt sind.

Jedes Exploratorium enthält Beobachtungs- und Untersuchungsflächen, die sich in ihrer Untersuchungsintensität unterscheiden. In der ersten Projektphase wurden eine Vielzahl an Wald- und Grünlandpunkten kartiert, die einerseits einem langfristigen Monitoring der Region dienen, anderseits zur Auswahl von speziellen Experimentierflächen herangezogen werden können. Im Hainich-Dün sind derzeit 1.028 Waldpunkte und 517 Grünlandpunkte inventarisiert worden (s. Abb. 1).


Die Kartierung der Waldpunkte erfolgte im Rahmen einer Stichprobeninventur, bei der der Flächenmittelpunkt permanent markiert wurde. Die Stichprobeninventur liefert genaue Daten über Biomasse, Struktur, Baumartenvielfalt, Verjüngung und Totholz. Weiterhin erfolgten die Entnahme einer Bodenprobe und eine Vegetationsaufnahme pro Punkt.

Eine kleine Gruppe der kartierten Punkte dient als Experimentierplots. Diese Flächen spiegeln den Landnutzungsgradienten der Region wieder und haben ähnliche Standortseigenschaften. Um statistisch sichere Aussagen treffen zu können, gibt es jeweils mehrere Wiederholungen. In der Hainich-Dün-Region sind 3 Landnutzungen im Wald typisch: der Plenterwald, der Altersklassenwald und der Naturwald repräsentiert durch den Nationalpark Hainich. Der überwiegende Teil der Flächen wird von der für den Hainich charakteristischen Buche dominiert. Um die Vergleichbarkeit zwischen den Exploratorien gewährleisten zu können, werden aber auch kleinflächig vorkommende Fichtenbestände im Altersklassenwald untersucht. Die Experimentierflächen haben eine Größe von 1 ha, so dass eine Vielzahl von Untersuchungen auf diesen Flächen stattfinden kann. Einen Überblick der derzeitigen Untersuchungen zeigt Abbildung 2, wobei Forschungseinrichtungen aus ganz Deutschland beteiligt sind. Beispielhaft zu erwähnen sind Botaniker, Bodenkundler, Mikrobiologen, Genetiker, Informatiker, Ornithologen, Förster etc., besondere Forschungsschwerpunkte bilden neben den Bäumen auch die Insekten, Vögel, Fledermäuse und vor allem die Pilze und Mikroorganismen im Boden..

Jeder der 50 Experimentierflächen im Wald ist mit einer eigenen Wetterstation ausgerüstet, um detailliert den Einfluss des Klimas auf die Diversität aufzeigen zu können, weiterhin wurde ein Weisergatter errichtet, was den Einfluss des Schalenwildes auf die Walddynamik aufzeigen soll.


Koordination

In den Exploratorien arbeiten momentan über 160 Wissenschaftler. Die Koordination des Exploratoriums Hainich erfolgt über die Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Die Waldinventuren in den Exploratorien sowie die Weisergatter werden im Rahmen des Teilprojektes Stoffkreisläufe & Forst am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena koordiniert.

 
 





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Abbildung 1: Das Exploratorium Hainich-Dün




Abbildung 2: Übersicht der derzeit beteiligten Forschungseinrichtungen in den Biodiversitäts-Exploratorien

 
 





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II. Teilprojekt Stoffkreisläufe & Forst

Die Ziele des Teilprojektes Stoffkreisläufe & Forst liegen in der Untersuchung von Struktur und Diversität des Waldes, der Schätzung des Biomassevorrates und die Prognose der zukünftigen Waldentwicklung in Abhängigkeit von der Landnutzungsintensität und der Waldgeschichte. Die Zusammenhänge zwischen Intensität einer Bewirtschaftung und der Biodiversität der dominierenden Pflanzenarten sind dabei sehr komplex und nicht abschließend geklärt (Abb. 3). In vielen Fällen führt ein Nutzungsverzicht im Wald langfristig zu einer Steigerung der Biodiversität. Gleichzeitig erfordert der Erhalt von historischen Waldbewirtschaftungsformen wie den Mittel-, Niederwald oder der Waldweide, die alle eine hohe Biodiversität zeigen, aber ein intensives Management. Letztlich ist bislang weder im Grünland noch im Wald die Frage geklärt, wie die Intensität der Bewirtschaftung quantitativ beschrieben werden kann, und wie sich die Diversität durch die Bewirtschaftung unterscheidet und welche Auswirkungen damit verbunden sind.




Abbildung 3: Der vermutete Zusammenhang zwischen Biodiversität der dominierenden Pflanzenarten und der Landnutzungsintensität


Von den bislang durchgeführten 1.028 Waldinventurpunkten im Hainich liegen die Ergebnisse von 728 Flächen bereits vor. Generell zeigt sich in den untersuchten Wäldern ein hoher Vorrat von durchschnittlich 391 Vfm/frasl;ha, wobei im Wirtschaftswald im Mittel 361 Vfm⁄ha zu finden sind. Die Kohlenstoffspeicherung im Derbholz beträgt ca. 158 t⁄ha. Wie zu erwarten, ist der Buchenanteil im Hainich sehr hoch, er liegt bei ca. 82%, bezogen auf den Vorrat. Durch einen vermehrt auftretenden Anteil von Mischbaumarten ist der Anteil bezogen auf die Stammzahl ca. 10% niedriger. Eine beispielhafte Verteilung des Vorrates bezogen auf den Durchmesser zeigt Abb. 4. Vor allem die seit geraumer Zeit unbewirtschafteten Naturwälder im Nationalpark, hier das Gebiet "Schönstedter Holz", zeigen einen sehr hohen Vorrat, der sich über eine breite Durchmesserspanne erstreckt. Durch die forstlichen Eingriffe werden Durchmesser über 80cm im Wirtschaftswald selten erreicht, es sei denn in Form von Habitatbäumen.




Abbildung 4: Die Vorratsverteilung nach Durchmesserstufen für typische Waldbewirtschaftungsformen im Hainich

 
 





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Vor allem in den Plenterwäldern Langula und Keula zeigen sich stellenweise ebenfalls sehr hohe Vorräte im Starkholzbereich. Langfristig birgt dies neben der Gefahr eines Verlustes von Plenterstruktur auch Einschränkungen hinsichtlich der Sortiments- und Baumartenvielfalt. Um dieser Gefahr zu begegnen sind im Plenterwald Eingriffe im Starkholz >50 cm notwendig.

Der jährliche Zuwachs in den Plenterwäldern liegt bei ca. 8,2 und 9 Vfm⁄ha*a (Erteld et al., 2005), dies entspricht einem jährlichen prozentualen Zuwachs von 2,1% des Derbholzvolumens. Diese Werte decken sich sehr gut mit Wiederholungsaufnahmen der Nationalparkinventur, wo jährliche Zuwachswerte zwischen 7,7 und 10,3 Vfm⁄ha*a bzw. 1,5 bis 2,0% gemessen wurden (Hessenmöller et al., 2008). Das bedeutet, Plenterwald und Nationalpark haben ähnliche Zuwächse.

Die Naturverjüngung der Wälder im Hainich besteht aus Buche und Edellaubholz, vor allem Esche und Bergahorn. Eine genaue Analyse des Wildeinflusses zeigt aber, dass vor allem das Edellaubholz unter einem starkem Verbissdruck leitet, so dass der Jagd auch in Zukunft eine Schlüsselrolle beim Erhalt der Biodiversität und Baumartenvielfalt im Hainich zukommt. Vor allem in den dicht geschlossen Wäldern des Nationalparkes findet sich nur an relativ wenigen Stellen Naturverjüngung ein, die dann vermehrt verbissen wird. Die in weiten Teilen verjüngten Plenterwälder und die Altholzbereiche des Buchenaltersklassenwaldes zeigen einen geringeren Verbissdruck auf die Edellaubhölzer, wenngleich sich auch dort der Verbiss mit über 40% auf sehr hohem Niveau befindet. Großflächige Verjüngungshiebe im Schirmschlagverfahren erhalten erstaunlich gut die Baumartenvielfalt selbst bei hohem Wildbesatz. Diese Wälder haben aber nicht die kleinräumige Struktur der Plenterwälder, und es entstehen betriebswirtschaftlich hohe Pflegekosten in den Jungwuchs- und Dickungsstadien entstehen.

Der hohe Nutzungsdruck auf das Holz als nachwachsenden Rohstoff spiegelt sich im Totholz wieder. Allein eine Betrachtung des Volumens zeigt im Naturwald einen 2fach erhöhten Wert. Erfreulich ist das Verhältnis von stehendem zu liegenden Totholz im Wirtschaftswald, wo durch aktives Management des Waldbesitzers Habitatbäume im Wald verbleiben und absterben können. Auch der Anteil von Totholz unterschiedlicher Zersetzungsgrade zeigt zurzeit im Wirtschaftswald eine ähnliche Verteilungsstruktur wie im Naturwald.

Ein besonderer Forschungsschwerpunkt des Forstprojektes ist der Vergleich der Bewirtschaftungssysteme Altersklassenwald und Plenterwald. Ein Schlüssel zum Vergleich der Betriebsformen liegt in der Erforschung des Baumalters im Plenterwald. Bislang ist nicht geklärt, wie lange die schattenertragende Buche im Unter- und Zwischenstand ausharren kann, bzw. welche Zuwachsleistung sie nach Freistellung wieder erbringt. Erste Ergebnisse einer Stammanalyse von 30 Buchen aus dem Plenterwald Keula sind in Abbildung 5 dargestellt. Besonders im Bereich des Mittelholzes finden sich sehr große Spannweiten im Baumalter der Buche, so dass eine 40cm starke Buche zwischen 55 und 150 Jahren alt sein kann. Insgesamt steigt aber der BHD linear mit dem Baumalter, d.h. es kommt nicht zu einer "Sättigung" im Wachstum. Die stärksten geernteten Bäume haben ein Alter von ca. 300 Jahren, d. h. sie stammen aus der Zeit der Gründung der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek.




Abbildung 5: Untersuchungen zum Alter von Buchen in den Plenterwäldern um Keula


Nach einer ersten Projektphase der Implementierung und Inventur der Probeflächen haben in diesem Frühjahr die meisten Wissenschaftler mit ihren Feldarbeiten begonnen. Perspektivisch hat das Projekt eine Laufzeit von 10 bis 15 Jahren.

 
 





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III. Danksagung

Die Mitarbeiter der Exploratorien möchten sich an dieser Stelle bei allen Waldbesitzern bedanken, die durch ihr Engagement und Kooperation zur Etablierung des Exploratoriums Hainich-Dün entscheidend beitragen:

» Laubgenossenschaft Langula,
» Laubgenossenschaft Oppershausen,
» Laubgenossenschaft Keula,
» Stadt Mühlhausen,
» Waldgemeinschaft Bauernberg,
» Waldgemeinschaft Friedrichswerth,
» Gemeinde Anrode,
» Nationalpark Hainich,
» Thüringer Forstamt Hainich-Werratal,
» Thüringer Forstamt Heiligenstadt sowie
» Thüringer Forstamt Bleicherode-Südharz.


Nicht zuletzt gilt unser Dank der Thüringer Landesanstalt für Wald, Jagd und Fischerei in Gotha für logistische Unterstützung beim Aufbau des Exploratorium Hainich-Dün, sowie dem Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt und dem Landesverwaltungsamt Weimar.


IV. Ansprechpartner & Literatur

Die Ansprechpartner für das Exploratorium Hainich-Dün sind:

Koordination des Exploratorium Hainich-Dün
Prof. Wolfgang Weisser & Sonja Gockel,
Institut für Ökologie
Friedrich-Schiller-Universität
Dornburgerstr. 159
07743 Jena

Koordination Teilprojekt Stoffkreisläufe & Forst
Prof. Ernst-Detlef Schulze & Dr. Dominik Hessenmöller
Max-Planck-Institut für Biogeochemie
Hans-Knöll-Str. 10
07745 Jena


Literatur

ERTELD, T., GEROLD, D., MUND, M., SCHULZE, E.-D., WELLER, E., (2005). "Vorrat, Zuwachs und Nutzung im plenterwaldartigen Buchenwald". AFZ - Allgemeine Forstzeitschrift Heft 13⁄2005. S. 702-706."

HESSENMÖLLER, D., SCHULZE, E.-D., GROßMANN, M., 2008: Bestandesentwicklung und Kohlenstoffspeicherung des Naturwaldes "Schönstedter Holz" im Nationalpark Hainich. Allg. Forst- u. Jagd-Ztg., Heft 12, 179. Jg., 209-219.


 

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